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Insider Vorarlberg: Hanno Loewy
Jüdisches Museum Hohenems
Hanno Loewy leitet das Jüdische Museum Hohenems. Außerdem ist der Literatur- und Medienwissenschafter ein Kenner Vorarlbergs.
Welche Neuerungen und Entwicklungen Ihrer Region haben Sie zuletzt fasziniert?
Die Neueröffnung des Vorarlberg Museums ist sicher der wichtigste Sprung vorwärts, den es in diesem Jahr gegeben hat. Die Konflikte und Widersprüche des 20. Jahrhunderts, die existentielle Bedeutung von Ein- und Auswanderung für dieses von Grenzen geprägte Land, seine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, all diese lange vernachlässigten Themen sind jetzt im Kanon der Landeserzählung wirklich angekommen. Vor allem als offene, Streit provozierende Fragen, denn die Geschichte des Landes ist so alt wie sie jung ist. Im Grunde wurde Vorarlberg erst im 19. Jahrhundert erfunden, fast zeitgleich mit der Gründung des Museumsvereins. Das gibt Anlass genug darüber zu reden, wie Identität eigentlich gemacht wird und sich auch verändern kann.
Ihr Museum ist in der Villa Heimann-Rosenthal untergebracht. Welche weiteren Architekturen in Hohenems, aber auch in der Region sollte man besuchen?
Hohenems ist vor allem von seiner bedeutenden historischen Bausubstanz geprägt, die Juwelen moderner Architektur liegen eher versteckt. Ganz anders als in Andelsbuch, wo mit dem neuen Haus der Werkraum Bregenzerwald nun als markantes Statement das Ortsbild prägt. Peter Zumthors weitausladende, zugleich gläsern-leichte und in massivem Schwarz bedachte Halle öffnet nicht nur dem Handwerk der Region ein Experimentierfeld und Schaufenster zugleich. Ansonsten, wer beim Fahren oder Wandern durch das Land die Augen offen hält, wird an jeder zweiten Ecke auf Überraschungen stoßen. Wer dafür ein paar Wegweisungen sucht: Das Vorarlberger Architekturinstitut in Dornbirn ist die erste Anlaufstelle (Marktstraße 33).
Welche Galerien und andere Orte der Kunst in Vorarlberg besuchen Sie regelmäßig?
Die Ausstellungen im Kunsthaus Bregenz sind natürlich immer etwas ganz Besonderes (Karl-Tizian-Platz). Und das Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz hat mit seinen großartigen Neuentdeckungen von Künstlern des 20. Jahrhunderts einen fixen Platz in meinem Kalender (Städtle 32). Aber neben den großen Playern gibt es ganz zauberhafte Orte, wo das Zusammenspiel von Kunst und Ambiente für ganz besondere Entdeckungen gut ist. Die Artenne in Nenzing ist so ein Ort: Da wird mit sehr viel persönlichem Engagement seit Jahren das Leben im ländlichen Raum mit hochintelligenten Kunstprojekten neu erkundet und auf den Kopf gestellt (Kirchgasse 6, Im Walgau). Und ein Blick in den Otten Kunstraum auf dem Gelände der ehemaligen Rosenthalschen Fabrik in Hohenems offenbart exemplarisch die Ernsthaftigkeit, mit der private Kunstsammler sich ebenfalls für klassisch-moderne bis zeitgenössische Kunst engagieren können.
Auf Ihrer Homepage wird das ehemalige Jüdische Viertel als "urbanes Quartier inmitten dörflicher Provinzialität" beschrieben. Finden sich heute nach der Shoah noch Spuren des Viertels in der Stadt?
Das Jüdische Viertel in Hohenems ist fast vollständig erhalten, ein im ganzen Alpenraum einmaliges Ensemble. Hohenems besaß einst zwei Hauptstraßen, die Israelitengasse und die Christengasse. Das war die einzige „Christengasse“ im deutschsprachigen Europa! Erhalten sind die mächtigen Hoffaktorenhäuser genauso wie die ärmlicheren Häuser der kleinen Händler, Dienstboten und Handwerker. Die ehemalige Synagoge, lange Zeit als Feuerwehrhaus missbraucht, erinnert heute als Salomon Sulzer Saal an den bedeutenden Kantor, Sänger und Komponisten. Das einzige erhaltene historisch-jüdische Ritualbad in Österreich ist ebenso zu sehen wie die alte jüdische Schule, die einst auch christliche Kinder anzog. Und das ehemalige jüdische Armenhaus ist gerade restauriert worden.
Ein Spaziergang durch Hohenems. Welche Wegmarken würden Sie ansteuern?
Es lohnt sich immer, beim Palast anzufangen. Da ist man plötzlich mitten in der italienischen Renaissance gelandet. Der Hohenemser Kardinal Markus Sittikus III. schickte 1562 seinen Architekten Martino Longo, der ihm gerade seinen Palast in Rom gebaut hatte, zu sich nach Hause, nach Hohenems. Zunächst geht es zu Fuß hinauf auf den Schlossberg, wo man den besten Blick auf die Stadt genießt, auf das Rheintal und auf den Bodensee. Von dort sieht man auch, was Hohenems im Besonderen geprägt hat: die Grenze. Wo früher Schmuggler begehrte Waren ins Land gebracht haben und 1938 bis 1945 jüdische Flüchtlinge in die Schweiz flohen, gehen heute die Einheimischen auf beiden Seiten der Grenze baden, entweder im größten Freibad der ganzen Region, oder irgendwo anders am Ufer des Alten Rheins, Grenzübertritt in der Badehose inklusive.
Wo in der Stadt kann man nach dem Museumsbesuch gut essen gehen?
Da bieten sich gleich zwei Orte mit ganz eigenem Charakter an: Im Jüdischen Viertel ist vor einigen Jahren im alten jüdischen Schulhaus das Restaurant Moritz entstanden, benannt nach Moritz Federmann, der im 19. Jahrhundert 50 Jahre lang diese Schule geführt hat. Ganz gleich, ob im Gastgarten zwischen Schule und Mikwe oder in den ehemaligen Klassenräumen, man sitzt stimmungsvoll und das Essen verbindet auf köstliche Weise österreichische, jüdische und orientalische Elemente (Schulgasse 1). Wer mobil ist, der kann im Adler am südlichen Ende der Stadt aber auch Understatement in Reinkultur erleben. Hinter dem unspektakulären Äußeren verbirgt sich die große Oper: fantastische Wildgerichte, Fisch aus dem Bodensee und ein großartiger Weinkeller – und ebenfalls ein wunderschöner Gastgarten.
Möchte man mehrere Tage in der Region verbringen, welches Hotel empfehlen Sie Ihren Gästen?
Herzliche Gastfreundschaft findet man schon in Hohenems im Hotel Schiffle (Radetzkystraße 38). Wenn man sich aber rundum ganz besonders Gutes tun lassen will, dann findet man in Hittisau im Bregenzerwald zwei Adressen, die man nie wieder vergisst. Ob man nun in der Krone (Jaghausen 4, Au) oder im Schiff absteigt, Vorarlberger Architekten und Holzhandwerk aus dem Bregenzerwald haben in beiden Hotels etwas ganz Besonderes geschaffen. Moderne Architektur und Tradition, Sinn für Kultur und grandiose Gastronomie lassen sich da mit entspanntem oder aktivem Landschaftsgenuss verbinden und mit einem Besuch im einzigen Frauenmuseum in Österreich. Zu Schubertiadezeiten meistens ausgebucht, aber sonst auch immer ein Wochenende wert: Hirschen (Hof 14) und Adler in Schwarzenberg.
Romantik Hotel Das Schiff, Heideggen 311, 6952 Hittisau
Sie haben auch über den Filmemacher Béla Balázs publiziert. Welches Vorarlberger Kino oder Lichtspieltheater empfehlen Sie uns?
Vorarlberg hat eine rege Filmclubszene, das macht es fast wett, dass es leider kein eigenes Programmkino gibt und keinen Ort für historische Filme. Aber Vorarlberg ist eben auch ein Zentrum der Dezentralität, vom Metrokino in Bregenz über den Spielboden und das Cinema in Dornbirn bis zum Rio in Feldkirch, überall gibt es immer wieder auch anspruchsvolles Programm und thematische Filmreihen.
Ein Sonntagsausflug in der Region: Wo führt Sie dieser hin?
Regelmäßig von Tschagguns zum Fuß der Drei Türme auf die Lindauer Hütte. Nach der zweieinhalbstündigen Wanderung durchs Gauertal wartet dort ein wunderbarer Kaiserschmarren auf uns. Wer es bequemer haben will, fährt nach Andelsbuch, besucht die Ausstellung mit Design der Mitglieder des Werkraums und fährt mit einem etwas klapprigen Sessellift hinauf auf die Niedere, wo man mit einer grandiosen Aussicht auf den Bodensee und die Berge belohnt wird. Bevor es wieder zurückgeht, kann man in Andelsbuch noch Bergkäse kosten und mitnehmen.
Jüdisches Museum Hohenems
Schweizer Straße 5
6845 Hohenems
+43 5576 739890
www.jm-hohenems.at