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Insider Tirol: Markus Stegmayr
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Markus Stegmayr ist Texter und Blogger. Sporadisch Kulturjournalist, Musik-Connaisseur, einst DJ und der Beweis dafür, dass man in Tirol nicht nur die Berge kennen sollte.
Ihre Texte umkreisen immer wieder auch Innsbruck und Tirol. Welche Entwicklungen, Trends und Neuheiten bewegen derzeit die Stadt?
Ich würde es gerne generell formulieren: Innsbruck ist, kulturell gesehen, an der Oberfläche eine relativ starre und unbewegliche Stadt. Daneben ist sehr vieles entstanden und entsteht auch immer noch sehr viel. Das Problem dabei ist: Vieles, was da passiert, hat eine recht uninteressante, dilettantische „DIY-Ästhetik“. Es wirkt fast so, als ob die Punk-Ästhetik in Innsbruck noch immer präsent wäre. Jeder kann Musiker sein und jeder kann Kultur machen und veranstalten. Das glaube ich nicht. Es bräuchte mehr Qualität und weniger Quantität. Vieles in Innsbruck, vor allem in Bezug auf lokale Musikerinnen und Musiker, ist im besten Falle mittelmäßig, meist nicht mal das, wird aber vor Ort gefeiert. Das ist ein Problem. Ein Trend, den ich mir daher wünschen würde, der aber nur zaghaft in Innsbruck ankommt: Der Vergleich mit der ganzen Welt, nicht mit der eigenen Szene und der eigenen Stadt. Und die absolute Konzentration auf Qualität und Internationalität. Vieles in Innsbruck ist immer noch, man verzeihe mir diese Formulierung, provinziell. Von der sogenannten Weltstadt ist Innsbruck noch weit entfernt.
Gibt es Neueröffnungen, die Sie interessant finden?
Es handelt sich da zwar nicht mehr wirklich um eine Neueröffnung, aber im Early Bird in der Innstraße (55) bin ich immer wieder gerne. Für mich ist das, trotz einiger Schwächen in Konzept und Umsetzung, ein schöner Ort, an dem vieles entsteht und noch entstehen könnte. Generell fehlt mir in Innsbruck aber ein Ort, an dem wirklich „Neues“ entsteht. Ein Ort, der das Publikum zugleich herausfordert und es zugleich überhaupt erst erschafft. Ein gutes Konzept hat nicht die vorhandene Zielgruppe im Auge, sondern definiert und generiert diese erst selbst. Ein schöner Ort, abseits meiner kulturellen Ansprüche, ist auch noch die Erlkönig Bar (Meranerstraße 6). Ein Ort, der architektonisch einiges zu bieten hat und sowohl gemütlich als auch anspruchsvoll in der Aufmachung ist.
Sie haben unter anderem Literaturwissenschaften studiert. Welchen Buchladen der Stadt beehren Sie gerne?
Auch wenn das jetzt seltsam klingt: Man trifft mich kaum in Buchhandlungen an. Vieles an der aktuellen Literatur lässt mich merkwürdig kalt und interessiert mich kaum. Ich interessiere mich im Moment primär für Musik, auch für die Stimme in der Musik sowie für „Text-Musik-Beziehungen“. Ich fasse den Textbegriff wesentlich weiter. Wenn ich mich aber doch einmal in eine Buchhandlung „verirre“, dann ist die Buchhandlung Liber Wiederin ein schöner Ort, an dem Bücher adäquat präsentiert werden und auch die Beratung stimmt.
In Ihrer Dissertation beschäftigen Sie sich mit Roland Barthes. Welche Orte der Stadt umgibt ein intellektuelles Flair?
Zuerst einmal: Ich weiß nicht, ob ich ein Intellektueller bin, nur weil ich über Roland Barthes promoviert habe. Dennoch wünschte ich, dass es mehr intellektuelles Flair in Innsbruck gäbe. Ich glaube, es „versteckt“ sich nur mehr an wenigen Orten. Das ist für mich ein Sinnbild für Innsbruck: eine Stadt, die eigentlich sehr kleinstädtisch und provinziell geprägt ist, aber ein paar urbane Einsprengsel bietet. Ich würde das Refugien nennen. Das ist auch der Reiz der Stadt. Man kann sich zurückziehen. Das ist schön. Man kann dann die Stadt Stadt sein lassen. Für mich sind das Café Central und das Toscana Orte, die ich in dieser Hinsicht schätze. Sie sind „anders“ als die restliche Stadt.
Lassen Sie uns über Ihr Faible für Jazz sprechen! Wo haben Sie zuletzt ein gutes Konzert gehört?
Für mich ist Jazz ja, um es einfach zu sagen, keine Musikrichtung, sondern ein System. Ein komplexes System mit fast unendlichen Spiel- und Kombinationsmöglichkeiten. Jazz reagiert daher für mich bestmöglich auf unsere heutige, chaotische und pluralistische Welt und verarbeitet diese Umwelt auf kreative, komplexe und anspruchsvolle Weise. Popmusik kann das, weil sie zu einfach gestrickt ist, für mich nicht. Mein letztes wirklich fantastisches Konzert war Rudresh Mahanthappa im Innsbrucker Treibhaus, das für mich generell ein Ort ist, den ich sehr sehr mag. Für mich ist das ein solcher Ort, den ich zuerst beschrieben habe. Ein Ort, an dem Internationalität und die sogenannte Weltstadt temporär und lokal immer wieder präsent sind und in Konzerten aufblitzt.
Treibhaus Innsbruck, Angerzellgasse 8 am Volksgarten, 6020 Innsbruck
Welcher Plattenladen empfiehlt sich in Innsbruck?
Ich würde nicht sagen, dass es bestimmte Plattenläden sind, die mich interessieren. Es sind Orte IN den Plattenläden, die mich ansprechen. Aus diesem Grund fällt mir auch als Erstes ein Ort ein, der eigentlich gar kein Plattenladen ist: die Tyrolia-Buchhandlung in der Maria-Theresien-Straße. Dort gibt es ein kleines, aber sehr feines Plattensortiment, was ECM-, ACT- und Winter&Winter-, Col Legno- usw. CDs betrifft. Dort finde ich sehr vieles im Bereich von Jazz, klassischer Musik, Weltmusik und „Neuer Musik“, das mich interessiert. Auch der Musikladen (Sparkassenplatz 2) hat eine kleine Ecke mit „Avantgarde-Musik“ und führt sogar ein kleines Sortiment des Labels von John Zorn, „Tzadik Records“. Auch dort wird man mich hin und wieder antreffen.
Ein Wirtshaus für die Mittagspause. Haben Sie eine Empfehlung?
Eindeutig: das Sitzwohl beim Stadtforum. Nirgendwo sonst bekommt man Kulinarik und gut gemachtes und zubereitetes Essen für einen solchen Preis. Kann man sich vielleicht nicht wirklich jeden Tag leisten, sollte man aber. Wenn es etwas bodenständiger sein soll, dann mag ich auch das Gasthaus Anich (Anichstraße 15) sehr.
Ab und an trifft man Sie auch hinter den Plattentellern. Welche Clubs der Stadt besuchen Sie immer wieder gerne?
Ehrlich gesagt: Das habe ich vor längerer Zeit aufgegeben. Eine Zeit lang hatte ich zusammen mit einem Freund die Idee, dass es in Innsbruck dringend mehr „Noise“, „Drone“ und „Free-Jazz“ auf der Tanzfläche braucht. Damit bin ich kläglich gescheitert und habe mir auch noch einige Beschimpfungen anhören müssen, in etwa: „Du Depp, wann spielst du denn endlich Musik?“. Seitdem habe ich den Plattentellern abgeschworen und gehe auch nur noch selten in Clubs. Ich habe akzeptiert, dass ich im „Klangspuren“-, „Musik +-“ und „Alte Musik-“Alter angekommen bin. Alle drei sind übrigens Konzepte, die ich fantastisch finde. Auch das sind Konzepte, in denen Internationalität und Anspruch zuhause sind.
Klangspuren Schwaz - Festival Zeitgenössischer Musik
Franz-Ullreich-Straße 8a
6130 Schwaz
+43 5242 73582
www.klangspuren.at
Wurde es dann doch etwas zu lange: Welches Café bietet ein überzeugendes Katerfrühstück?
Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern. Wenn es also mal etwas zu wenig Schlaf gibt, dann ist meist nicht so sehr ein rauschendes Fest daran schuld, sondern der Schlaf meiner Kinder. Aber im Fall der Fälle, wenn´s mal dennoch zu einem Kater im herkömmlichen Sinne kommt, würde ich das Munding empfehlen. Sowohl von der Qualität des Frühstücks, als auch vom Ambiente als auch vom Publikum her.